Hi Aki, wie gehts dir heute und wie waren die letzten Monate für dich?
Hi Emely! Heute geht’s mir ganz gut, einfach weil ich kommuniziere (lacht). Ich bringe jetzt ja bald ‘ne Platte raus und einer der größten Vorteile daran ist, dass ich eben wieder anfange mit Leuten zu reden. Wir haben jetzt auch die ersten Konzerte gespielt, das war schon mal sehr heilsam und sehr gut und jetzt rumzulabern über Songs und über Gesellschaft ist schön, das hat sehr gefehlt. Aber wir wollen nicht so viel über den Lockdown reden, oder?
Ja, aber deine Platte dreht sich ja auch ein bisschen darum oder? Ist ja auch in der Zeit entstanden.
Ein Großteil der Platte ist davor entstanden. Meine Musik handelt eigentlich schon immer von so Lockdownzuständen. Einsamkeit, Warten, innere kraftlosigkeit und vom Glück. Zu Corona war so ein Song wie z.B. „Wartesaal“, der am meisten geteilte Bosse-Song. Der ist aber 10 Jahre alt.
Du hast es quasi vorausgesagt! Vielleicht sollten wir dich als Orakel einsetzen!
Ja genau, stimmt! Wenn ich dann mal wieder richtig happy Songs schreibe, dann wird alles besser (lacht).
Du hast es ja gerade schon gesagt, am 27.08. erscheint dein achtes Album Sunnyside. Bist du vor diesem Release jetzt immer noch genauso aufgeregt, wie früher bei den ersten Alben, oder hat sich da mittlerweile eine Routine eingestellt?
Routine ist eigentlich irgendwie scheiße, oder? Es gibt ein paar Routinen, die da sind, aber ich versuche die eigentlich eher positiv zu sehen. Ich bin zum Beispiel nicht mehr aufgeregt bevor ich auf die Bühne gehe, ich hab dann zwar so ein Ziehen, aber ich hab nicht mehr das, was ich mit 20 noch hatte, dass ich drei Wochen vorm Konzert schon komplette Einschlafschwierigkeiten habe. Das ist weg, ich hab jetzt schon jede Milchkanne gespielt und das ist irgendwie so drin. Aber jetzt hab ich zweieinhalb Jahre an dieser Platte rumgearbeitet und da steckt natürlich ganz ganz viel Liebe drin, aber auch Gegrübel und Tränen und Schweiß und superviele Leute haben mitgearbeitet. Ich hab wirklich so viel Zeit damit verbracht, dass es dann total aufregend ist zu sehen, was das jetzt eigentlich geworden ist und wie die Leute das finden. Da muss ich schon sagen, da kriege ich keine Routine rein. Also ich bin echt ein bisschen aufgeregt, klar! Das bin ich wirklich!
Sehr gut, das ist auch was sehr Sympathisches, dass du das auch immer noch bist und dir nicht alles egal ist!
Boah, das wär so scheiße! Aber ganz ehrlich, dieser Beruf, den ich habe, ich spiele quasi in der zweiten Bundesliga oder so, das ist einfach einer der schönsten Berufe auf der Welt, weil Musik eben meine zweite große Liebe ist. Ich bin immer noch so glücklich, dass ich das machen darf, ich liebe einfach alles an diesem Beruf. Ich habe immer zu meiner Band gesagt, dass wir aufhören müssen, wenn es uns irgendwann scheißegal ist. Dann soll man Immobilienmakler werden oder sonst irgendwas, weil es dann nur ums Geld verdienen gehen würde. Aber eigentlich würde ich auch niemandem, der/die Geld verdienen will, raten Musiker:In zu werden (lacht).
Sehr schön! Das Album ist ja jetzt zumindest teilweise während der Pandemie entstanden, wie sehr hat das den Album- und Aufnahmeprozess beeinflusst?
Also ich hatte noch nie so viel Zeit, um mal über die Vorteile zu sprechen, für irgendeine Platte!
Ich habe mir nach den ersten Wochen des Schocks fest vorgenommen den Lockdown zu nutzen. Keine Termine, null Ablenkung. Einfach nur Musik und Familie. Und dann soviel Zeit, um auszuprobieren und wegzuwerfen. Viel Lesen, viel grübeln, manchmal zu viel...
Ja, man verzettelt sich dann wahrscheinlich auch schnell, oder?
Ja manchmal sind Deadlines, an denen man sich orientieren muss oder Termine wie Konzerte super,um fertig zu werden. Aber durch die viele Zeit bin ich definitiv mehr ins Schreiben gekommen als früher.
Den Opener auf der Platte kann man in großen Teilen auch sehr auf das Thema Corona beziehen. Vor allem durch Zeilen wie „Alle träumen vom Ende der Einsamkeit“, generell wirkt die neue Platte noch politischer als deine bisherigen Alben, wie wichtig sind dir politische Statements und aktuelle Themen in deiner Musik?
Immens wichtig! Weil das gerade einfach die absolut heftigste Zeit ist, die ich politisch gesehen und in meinem Leben bisher erlebt habe. Wenn man zurückdenkt, als ich 14 war - und auch damals war ich schon ein politischer Mensch - kann ich mich nicht daran erinnern, dass alles so auseinandergedriftet ist. Es ist aber auch eine heftige Zeit der Kommunikation und der Trennung, das Gefühl habe ich. Aber auch, um was Positives zu sagen, ein Wendepunkt. Meiner Meinung nach muss man das Ding ins Gute wenden. Ich sehe an meiner 15-jährigen Tochter, wie wach und toll diese Jugend ist und wie politisch und gesellschaftlich aktiv die sind. Aber auch wie sich ein paar Sachen geändert und verbessert haben. Für meine Tochter ist es völlig egal, ob ihr bester Freund einen Jungen liebt oder ob jemand Weihnachten feiert oder nicht. Das ist ein minimales Beispiel, es sind aber in dieser Generation jetzt schon ein paar Sachen passiert, sodass ich glaube, dass diese Generation gar nicht das Problem ist, sondern wir und die älteren Generationen. Darum sehe ich für mich einfach eine Pflicht,da Sachen anzuschieben. Ich hab in den letzten Jahren total viel getan, weil ich aber auch eine Fanschar habe, die gerne was macht und die Bock hat zu helfen und die Lust hat, Sachen zu verändern. Mit denen habe ich neben der Musik ein paar Dinge bewegen können. Politisches und gesellschaftliches Schreiben ist einfach ne andere Geschichte als das Schreiben über Glück, Freundschaft, verlassen werden, Familie und so. Da habe ich eine ganze Menge gelernt, auch über mich! Und ich freue mich über jeden fertigen kritischen Text auf „Sunnyside“.
Du hast ja eben schon mal deinen Tourkoffer erwähnt, der unangetastet in der Ecke stand. Das stand auch im Pressetext und da habe ich mich gefragt, ob du davon oft gebrauch gemacht hast. Dort kam es so rüber, als wäre der Koffer dafür da, wenn du mal eine Auszeit von allem brauchst und spontan nach Spanien fliegen willst! Aber im Endeffekt ist er dann ja wahrscheinlich wirklich eher dafür da, um auf Festivals und Konzerte zu fahren oder?
Ja voll! Ich hab mich schon gewundert, wie viel ich eigentlich unterwegs bin als die ganzen Termine dann plötzlich weggefallen sind. Dann habe ich mich wirklich auch gefragt, wie ich das gemacht habe. Im Rückschluss dann auch, wie oft mein Kind mir schon Tschüss und Hallo gesagt hat in ihrem Leben . Das ist eben auch ein Teil der Routine, aber es ist schon heftig, wenn einem das dann mal klar wird. Ich hab dadurch schon gemerkt, was das Leben manchmal für eine Mühle ist, obwohl ich ja, wie gesagt, einen Beruf habe, der eigentlich schön ist. Aber trotzdem ist dieses Bild mit dem Koffer ganz gut.
Wie ist das jetzt für dich, wenn sich die Routine langsam wieder einstellt? Weil du gerade meintest, dass du zwischendurch gar keine Ahnung mehr hattest, wie du das alles unter einen Hut bekommen hast.
Das alles, was jetzt wieder kommen wird, sind ja alles schöne Sachen! Andererseits habe ich manchmal das Gefühl, dass der Beruf Musiker:In zu 10% auf der Bühne stehen und zu 90% aus irgendwas anderem besteht. Es gibt einfach Termine bei denen man über aktives und passives Leben nachdenkt und sich das echt noch mal durch den Kopf gehen lassen muss, auch durch Social Media. Dafür war das alles, glaube ich, ganz heilsam!
Unter dem Musikvideo von Letzter Tanz hat jemand kommentiert, dass der Wunsch ihrer/seiner Tante war, dass dieses Lied auf ihrer Beerdigung gespielt werden soll, dieser Wunsch wurde ihr am Ende auch erfüllt. Berühren dich solche Geschichten?
Ja, natürlich! Das krasseste bei „Letzter Tanz“ war, dass ich zu Coronahochzeiten abends ferngesehen habe, obwohl ich das eigentlich nie mache. Da habe ich ein Gespräch gesehen das Frank-Walter Steinmeier mit Angehörigen von Leuten, die an Corona gestorben sind, geführt hat. Dort war eine Mutter, die im Fernsehen gesagt hat, dass sie ihre Tochter, die schwer krank war, wegen der Coronaregelungen nicht sehen konnte. Und in den drei Minuten, in denen sie dann doch zu ihr durfte, ist die Tochter dann verstorben. Und dann hat sie gesagt, dass sie ihrer Tochter in diesen drei Minuten noch den letzten Wunsch erfüllt hat und mit ihr den „Letzten Tanz“ von Bosse gehört hat, dabei ist die Tochter dann eingeschlafen. Ich saß vorm Fernseher und bin wirklich fast ohnmächtig geworden, einfach weil mich diese Geschichte so berührt hat. Ich konnte wirklich zwei Stunden lang nichts mehr sagen, weil ich so geschockt war. Dann hatte ich nach ein paar Tagen aber den Rückschluss, nachdem ich auch mit der Frau telefoniert habe und ihr mein Beileid ausgedrückt habe, dass es sich lohnt, sich anzustrengen bei dem, was man tut, weil es eben Leuten was bedeuten kann. Da wird man auf der einen Seite sehr demütig, aber auf der anderen Seite wird man an den Grund erinnert, warum man das macht. Musik hat so viel, vor allem sollte sie aber verbinden. Und wenn sie Leuten was bedeutet und es was mit denen macht, dann ist das, das größte Kompliment.
Der Song „Nebensaison“ ist sehr persönlich und lässt tief blicken. Hat Musik einen therapeutischen Effekt auf dich?
Ja, finde ich schon! Wobei man da auch immer Abstriche machen muss, weil ich dann selbst gar nicht mehr weiß, inwieweit das alles ich bin, ob das wirklich meine Gefühle sind oder auch einfach Sachen, die ich als Stilmittel gut finde. Man darf ja aber auch Geschichten erzählen, aber in diesem Fall ist das alles schon sehr nah an mir. Es gibt bei mir natürlich auch ganz viele Issues und Schwächen und über die spreche ich eben.
Ist ja auch gut, wenn man für sich selbst Wege findet, durch die man Dinge verarbeiten kann, da haben Musiker:innenanderen Leuten, glaube ich, oft was voraus.
Ja schon, aber zum Beispiel beim Album „Engtanz“ hat mich dann irgendwann Markus Wiebusch angerufen und meinte: „Alter dir ging’s richtig schlecht, oder? Tut mir leid, dass ich nicht für dich da war!“, und ich meinte nur „Ne, mir ging’s tippitoppi, ich hatte nur Bock so zu schreiben!“ (lacht). Ich habe auch angefangen Musik zu lieben, weil ich mich immer sofort in die Mischung aus kaputt, melancholisch, schief und problembehaftet verliebt habe. Das ist ja auch ein Stilmittel, obwohl ich am Ende immer nur die Sachen machen kann, die ich mir auch selber glaube und die ich dann zu 95% auch selbst durch hab.
Du besingst auf dem neuen Album auch die „Vorfreude“, wie groß ist deine Vorfreude auf deine kommenden Konzerte und was hast du sonst noch für die nächste Zeit geplant?
Der Song hätte es fast nicht mit auf die Platte geschafft! Ich finde eigentlich, dass der gar nicht funktioniert, ich weiß auch nicht, warum. Mein Freund und Produzent Jochen hat immer gesagt „Ey dieser Strophentext ist so scheiße!“, und ich hatte eigentlich beim Schreiben so ein paar Judith Holofernes/Wir sind Helden-Momente. Ich fand das irgendwie gut! Also der Text ist auf jeden Fall der Grund, warum der Song es drauf geschafft hat! Jochen fand’s richtig scheiße. War ihm nicht tief und melancholisch genug (lacht).
Meine Vorfreude ist jedenfalls riesig! Also echt! Ich hab jetzt gerade drei Konzerte vor Strandkörben gespielt und alle hatten so Bock und so eine Freude! Man muss halt von vornherein die Erwartungshaltung haben, dass das hier nicht das Hurricane Festival wird, sondern dass es eine andere Atmosphäre wird, aber wenn man das verstanden hat, wirdsrichtig geil!
Jetzt gerade wo’s wieder losgeht, haben ja auch die ganzen Zuschauer:innen mega Bock! Ich selbst als Konzertgängerin hab Spaß an jedem Konzert auf das ich gerade gehen darf, egal ob im Sitzen oder beim Tanzen!
Total! Jetzt spielen wir auch bald das Juicy Beats und Picknick Konzerte, das wird auch noch mal was anderes, weil da die Leute stehen. Ich freue mich riesig!
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